THE BOXX

Kunst – Musik – Hörbuch

LEVEL 5

Five Things

»WOOM … hat es gemacht! Einfach nur WOOM!«, lacht Basti und schlägt dabei auf die Platte des Stehtisches. Die Gläser wackeln, alle grinsen, nur Cordula hat sich ein bisschen erschrocken. »Da sind uns fast die Hummer vom Teller geflogen!« 

Klassentreffen im Gasthof Zum Goldenen Hirsch. Vor 25 Jahren haben sie Abi gemacht. Die einen mit Bravour, die anderen weniger, ein paar haben es gar nicht geschafft. Dennis zum Beispiel, aber er ist trotzdem gekommen, um seinen Leuten von früher zu zeigen, dass er es doch noch zu was gebracht hat. 

»Und was war’s? Na, jemand ’ne Idee?«, fragt Basti in die Runde und schaut erwartungsvoll in die Gesichter seiner vier damaligen Buddies, aber niemand antwortet. »Eukalyptusbäume! Ich sage euch, die Dinger brennen nicht, die explodieren. WOOM!«, macht er noch einmal.

Diesmal verdreht Cordula nur genervt die Augen. Matze lächelt verlegen in ihre Richtung. 

»Hör ma‘, Eukalyptusbäume wachsen in Australien, vielleicht noch in Indonesien …«, mischt sich Hagen ein. 

»Nee nee nee, mein Freund!« Basti weiß es besser. «Die findest du mittlerweile überall in Südeuropa. Die verdrängen da …«

  »Und ihr habt wirklich im Hafen gesessen?«, unterbricht ihn Sille, die sich schon zu Schulzeiten von Bastis Angebereien provoziert fühlte und in den letzten 25 Jahren das grundsätzliche Dagegensein zu ihrer ganz persönlichen Kunstform erhoben hat. »Schön gepflegt im Restaurant, vor euch toter Hummer und im Hintergrund tobt der größte Waldbrand, den Griechenland jemals geseh’n hat? Dein Ernst, Basti?« 

«Sille, jetzt hab‘ dich nicht so! Wir mussten mal raus ans Meer. Nach dem ganzen Pandemiescheiß hatten wir uns das wirklich verdient. Dafür haben wir extra im Nature-Resort gebucht. Alles ganz klimaneutral. Und bio!« 

»Ich wette, er ist geflogen«, lästert Hagen und prostet Sille mit seinem abgestandenen Bier zu. 

»Leute!«, setzt Basti zu seiner Verteidigung an. »Was sollte ich denn machen? Wir mussten die Katzen mitnehmen. Das geht nur im Flieger. 20 Stunden Autofahrt sind einfach zu viel für die Miezen.« 

Da stehen sie nun, dicht gedrängt um den wackeligen Stehtisch, Basti, Hagen, Sille, Matze und Cordula. Die Gang. Fünf Freunde sollt ihr sein. Damals waren sie unzertrennlich, und doch haben sie sich im Laufe der Jahre aus den Augen verloren. Heute Abend allerdings scheint alles wie früher zu sein. 

»Worauf trinken wir?«, fragt Matze und erhebt sein Glas. 

»Auf uns!«, sagt Basti. 

»Und auf ein Leben in Saus und Braus, bis uns die Flutwelle erwischt! Auf’s Klima!« Sille knallt ihr Glas gegen Bastis. 

»Jetzt mach mal nicht die schöne Stimmung kaputt«, nörgelt Cordula und bekommt wieder diese kleine Denkfalte zwischen den Augenbrauen, in die Matze schon damals vernarrt war. Beschwichtigend legt er seine Hand auf ihre Schulter. Ein Blick von ihr reicht und Matzes Hand wandert auffällig unauffällig zurück zum Bier. 

»Wie heißt eigentlich die dürre Langhaarige da hinten nochmal?«, will Hagen wissen. 

»Ich komm‘ gleich drauf«, erwidert Basti, der froh ist, aus Silles Schusslinie zu rutschen. 

»Ich glaube, das ist Annette. Hat die nicht diesen steinreichen Chemieunternehmer geheiratet? Dessen Fabrik vor drei Jahren wegen eines Defekts in der Elektrik in die Luft geflogen ist? Das war ’ne Umweltsauerei, sage ich euch. Das hat die zugrunde gerichtet. Vor allem imagemäßig.«

»Wir mussten alle Fenster und Türen schließen und durften nicht raus. Das Obst aus dem Garten konntest du in dem Jahr vergessen. Schlimm war das«, erinnert sich Cordula. 

Matze nickt. Der Rest starrt stumm vor sich hin. 

»Schnaps für alle?«, reißt Hagen seine Leute aus ihrem Stimmungstief. 

Alle nicken.

Nach fünf Runden Hochprozentigem ist das Tal des Trübsinns überwunden. 

Basti muss noch ein bisschen angeben. »Es issja nich‘ so, dass mir die Szukunft egal wär’«, kommt er auf das missliche Thema von vorhin zurück. »Ich mein‘, ich liebe die Umwelt … Deshalb habbich auch eine teure Solaranlage auf mein Dach gebaut. Heißes Wasser für alle! Und Strom. Und vielleicht setz‘ ich mir auch noch’n Windrad innen Garten. Für noch mehr Strom. Strom brauch’n wir doch alle.«

»Strom isse Szukunft«, lallt Hagen. Matze nickt. »Ich hab‘ ja jetz’n E-Auto. Fährt tippitoppi. Und is‘ ganz leise. Hätte neulich fast ’ne Mutter mit ihr’m Kind überrollt, weil die einfach auf die Straße gelauf’n sind. Ohne zu guck’n. Muss man ja auch ma‘ guck’n, finde ich.« 

»Ja, muss man«, weiß Hagen.

Und auch Cordula leistet ihren Beitrag: »Ich hab‘ grünen Strom ausse Steckdose. Is‘ ganz einfach. Stecker rein, haste Strom.« 

Matze nickt. 

Im Hintergrund läuft irgendwas mit „Anarchy“ von den Sex Pistols. Ein paar Leute tanzen im schummerigen Licht des Schankraums. Darunter auch Achim, der mit seinem inzwischen leicht ergrauten Iro und den zerschlissenen Springerstiefeln noch genauso aussieht wie früher. Manche ändern sich nie. 

»So, und jetzt komms‘ du, Sille! Was machst’n du so für die Szukunft? Immerhin ham wa‘ die 1,5 Grad schon 2030 erreicht, wenn dusso weitermachst wie bissher«, provoziert Basti seine alte Freundin. 

Sille gibt sich rebellisch. »Das kannich dir genau sag’n, mein lieber Basti. Ich wohn‘ in ein‘ Niedrighaus … Niedrig-Energie-Haus, so heißt das. Hat der Olli extra gebaut. Das is schoma Nummer eins. Nummer zwo: Ich hab‘ gar kein Auto. Ich fahr‘ Fahrrad. Oder Öffis. Oder höchstens ma‘ mit Ollis altem VW-Bus … Hat der Olli extra restauriert. Vanlife und so. Todschick … Naja, egal … Nummer vier: …«

»Drei«, sagt Cordula. 

Matze nickt. 

»Richtig. Drei. Nummer drei: Ich ess‘ kein Fleisch. Scheiß auf die Massentierhaltung!« Triumphierend schaut Sille in die Runde. Keiner klatscht. »Nummer vier: Ich vermeid‘ Plastik. Kein Shampoo mehr! Flasche, mein‘ ich. Ich kauf nur noch festes Shampoo. Jawoll!«

»Seife für die Haare? Geht’n das?« Cordula wirkt angewidert. 

Matze nickt immer noch. 

»Geht alles, Schätzchen. So. Nummer fünf: Ich kauf‘ nur noch bio un‘ fair. Auch Klamotten. Kost’n bisschen mehr, aber muss. Einfach ma‘ weniger rauchen un‘ saufen, dann kannessich jeder leisten. So sieht das nämlich aus, Basti. Weißte Bescheid, ’ne?!« 

Die Gang ist sichtlich beeindruckt. Vier von fünf schauen verlegen auf die imposante Glasansammlung auf ihrem Tisch. Sille gönnt sich noch einen Tequila.

»Respekt! Da könn‘ wir uns wohl alle ’ne Scheibe abschneid’n von dir«, sagt Basti anerkennend und nestelt an seinem durchweichten Bierdeckel herum.

  »Ich wollt‘ ja auch schon mal aufhör’n mit’m Fleisch, aber ich schaff’s einfach nich‘ …«, heult Cordula. 

Matze heult mit. 

Achim hat das Tanzen aufgegeben und sich neben dem Tisch der fünf Freunde postiert. Keiner weiß, wie lange er da bereits steht. Von seiner Stirn tropfen ein paar Schweißperlen. Pogo fiel ihm auch schon mal leichter. Er bufft Sille in die Seite. 

»Na?! Was macht eigentlich die Initiative von deinem Olli? Unser Viertel gehört uns!, oder wie hieß eure Bürgerwehr nochmal? Hat der Olli extra initiiert, stimmt’s?!« Sille erstarrt. »Oder heißt die Dreckspack raus aus unserem Kiez? Hilf mir, Sille, mir fällt der Name nicht mehr ein …«

»Ach du Sch…eiße …«, lallt Hagen. 

«Dabei müssen die Klimaflüchtlinge doch auch irgendwo unterkommen. Es werden sowieso immer mehr, Sille, weißte doch. Und warum nicht in eurer Nachbarschaft?«

Sille steht wortlos auf, schnappt sich ihre faire Strickjacke aus Biobaumwolle und geht. Vier von fünf verfolgen betreten ihren plötzlichen Abgang. 

Achim grinst. »Wie nennt man das nochmal? Karma?«, fragt er in die Runde und geht wieder tanzen.


Five Things

Five things in common
Count one two three
And four an five
Be alive
Baby, you got the jive

Love level
The highest, the closest
You will get

Hug level
The strongest, the deepest
You might get tonight

New level
The hottest, as hot as
You do or dare

Real level
Not one with a defect
Gonna pay it back

Love level, love…

Busy scissors
Horribly happy


Made by

Song: beatbar
Songwriting: Stef Awramoff
Mix & Mastering: Eric Limberg

Text: Katja Merx
Sprecherin: Eric Limberg, Svea Herrmann, Stef Awramoff, Katja Merx

Collage: Stefan Heuer

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