THE BOXX

Kunst – Musik – Hörbuch

LEVEL 1

Ready Player One

Schwerer Rauch hängt in der Luft. Grau und stickig. Ich denke darüber nach, was passieren würde, wenn ich mir das Messer nähme, mit dem der Barkeeper hinter dem Tresen Zitronen schneidet, und damit durch die Luft säbelte. Ob sich der Qualm sichtbar teilte? Ob ich hindurch schlüpfen könnte, um der für meinen Geschmack zu stark geschminkten Frau in der hinteren Sitzecke einen Drink auszugeben? So wie sie herüberschaut, würde sie nicht nein sagen. 

Nicht dass ich umwerfend aussehen und die Blicke auf mich ziehen würde, ganz sicher nicht. Ich bin eher der unauffällige Typ. Ich ziehe die verlorenen Seelen an, die Loser, die Gestrandeten. Die stark bemalte Frau zählt offensichtlich dazu. Ihre müden Augen verraten viel; was genau dahintersteckt, interessiert mich schon. Aber wahrscheinlich werde ich es nie erfahren, denn ich werde zu schüchtern sein, um sie in ihrer Sitzecke zu besuchen. Ein Glas Prosecco in der Hand, das ich ihr nonchalant herüber reiche, ein freundlicher Blick … Mir fehlt diese Selbstverständlichkeit, mit der sich andere Leute einfach dazusetzen und drauflos quatschen. Und ganz ehrlich, der Barkeeper wäre sowieso schneller. Bevor ich den Zigarettenrauch durchschnitten hätte, wäre der durchtrainierte Kerl schon über den Tresen gesprungen, um mir das Messer zu entreißen. Da verstehen Barleute keinen Spaß. Nicht in dieser Gegend. 

Also bleibe ich auf meinem Barhocker sitzen, vor mir ein Glas schales Bier, das bereits einige wässrige Spuren auf dem fleckigen Holz hinterlassen hat. Neben mir sitzt Kalle. Zumindest nennt ihn der Barkeeper so. Kalle trägt eine zu enge Hose, wenn ich mich drehe, kann ich sein Maurerdekolleté sehen. Sieht irgendwie haarig aus. Geht mich aber auch nichts an. 

»Na, neu hier?«, fragt Kalle und schaut mich aus verquollenen Augen an. 

»Ja, sozusagen. Ich bin nur auf der Durchreise«, entgegne ich. Keine Ahnung, ob Kalle wissen möchte, dass ich erst vor zwei Tagen in dieser Stadt angekommen bin und jetzt in einem schäbigen Ein-Zimmer-Apartment lebe. Vorne die laute Hauptstraße, hinten ein vermüllter Hinterhof, in dem die streitenden Familien leidenschaftlicher schreien als liebestolle Katzen. Für mehr reicht es nicht. Ist aber auch egal, ich bin es nicht anders gewohnt. 

»Gute Sache«, sagt Kalle nur. »Hier hält man es auch nicht lange aus.«

Ich nicke. Mehr aus Gewohnheit als aus Zustimmung. Ich nicke ganz gern, um mich aus der Affäre zu ziehen. Aber Kalle hat eh schon das Interesse an mir verloren und dreht mir selbstbewusst sein freigelegtes Hinterteil zu. 

Ich lasse meinen Blick durch den Raum schweifen. Dunkle Holzmöbel, die ihre besten Zeiten hinter sich haben. Vergilbte Vorhänge, volle Aschenbecher und blasses Kneipenvolk, das dicht gedrängt an Tischen sitzt, diskutiert, lamentiert. Zwei streiten sich, zwei liegen sich rührselig in den Armen. Kneipe halt. 

 Mein Blick fällt auf einen blinkenden Automaten, der zwar versteckt in der hintersten Ecke des Gastraumes steht, aber doch fordernd aufleuchtet. Ich schaue mich um, ob auch einer der anderen Gäste das Blinken bemerkt, aber niemand scheint das strahlende Etwas zu beachten. Ist vielleicht eine Jukebox, würde gut zu einem Laden wie diesem passen, denke ich. Wahrscheinlich Schlager oder Hits aus den 70ern. Ich erhebe mich mühsam von meinem durchgesessenen Hocker und krame in meiner Hosentasche nach Kleingeld. Wäre doch gelacht, wenn eine Wencke Myhre oder eine Vicky Leandros nicht ein bisschen Stimmung in die Bude bringen könnten. 

Als ich vor dem blinkenden Apparat stehe, erkenne ich, dass ich falsch lag in der Annahme, ihm mit ein paar Münzen Musik entlocken zu können. Vor mir steht ein Spielautomat, den ich so noch nie gesehen habe. Er gleicht einem hochkant gestellten Flipper, nur fehlen die üblichen Superhelden und fantastischen Bösewichte auf dem schimmernden Glas. Die Box erzählt keine offensichtliche Geschichte, deren Protagonisten der Welt bereits bekannt wären. Sie piept nicht. Sie klackert nicht. Stattdessen wird das Blinken und Blitzen immer stärker. Sieht das denn sonst niemand? 

Ich drehe mich um und fange den Blick der stark geschminkten Frau von vorhin auf. Sie zwinkert, nickt mir aufmunternd zu. Verwirrt schaue ich zurück zur Box, nehme eines meiner Geldstücke und werfe es in den Schlitz. 

In Sekundenschnelle verändert sich der Raum. Hier stehen wir nun. Die Box und ich. Allein. Um uns herum schwärzeste Dunkelheit. Vor mir leuchtet ein Schriftzug auf, den ich nur allzu gut kenne: »READY, PLAYER ONE?« … Keine Ahnung, was jetzt passiert. Aber ich kann nicht anders … 

»READY, PLAYER ONE?«

»Go!«


Ready Player One

Are you ready, Player One?

Missing out on something
Lay your hands on the penthouse floor
Missing out is one thing
Close your eyes near the ocean shore

Jump on, jump on
Afraid of sirens
Feel the minute you slip away

Missing out on something
Lay your hands on the kitchen floor
Missing out is one thing
Close your eyes, close the door

Hop on, hop on
We are already afraid
The hour is getting late

Like the tide on the ocean shore
We have to change

Come on, come on
Don’t hesitate
Throw water on your face


Made by

Song: beatbar
Songwriting: Stef Awramoff
Mix: Eric Limberg
Mastering: Joshua Riedel, Tonstudio Musikzentrum

Text: Katja Merx
Sprecherin: Hilke Rusch

Collage: Stefan Heuer

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